Ein solches Ding

Kartenspiel mit 220 Fragezeichenbild-Karten für bis zu 8 SpielerInnen ab 10 Jahren, Spieldauer ca. 1 Stunde
Autor Urs Hostettler, grafische Getaltung Res Brandenberger

Kennt ihr das Spiel "Ich stell mir was vor"?. EineR denkt sich irgendwas aus (einfachere Version: eine Person), die anderen fragen nach Eigenschaften, um das Ding einzugrenzen. "Lebt es?" (Ja oder nein). "Kann ich es tragen?" (Ja oder nein). "Ist es hier in der Nähe? (Ja oder nein). Ein simples Spielchen für unterwegs.
So ähnlich und so simpel ist Ein solches Ding.

Gefragt wird mit Fragezeichenkarten, die eine Eigenschaft beschreiben, von denen jedeR zu Beginn 9 Stück zu Verfügung hat. Jetzt gibt's aber einen grossen Unterschied zum altbekannten Reisespielchen: Niemand stellt sich was vor. Niemand entscheidet ja oder nein. Die Antwort ist immer ein Ja. Alle ausgelegten Eigenschaften treffen zu.
Je länger die Reihe von ausgelegten Karten wird, desto weniger Dinge gibt's, die alle diese Eigenschaften erfüllen. Schon nach 3, 4, 5 Karten kann's sehr eng werden. Der nächste Spieler, der an der Reihe ist, muss sich gut überlegen, ob ein solches Ding überhaupt existiert und was das denn sein könnte, umso mehr als er mit seiner Karte den Raum noch mehr einengt. Und es wär schon gut, sich so ein Ding ausmalen zu können. Sobald nämlich eine meint: nein, glaub ich nicht, sowas gibt es nicht, kann sie die Runde beenden, und den letzten Kartenleger fragen: Was ist das?
Kann der Ein solches Ding nennen, muss die Zweiflerin neue Karten vom Stapel nehmen. Kann er es nicht, trifft die Strafe ihn. Strafe, weil das Spielziel darin besteht, alle seine Karten loszuwerden, in eine Reihe abulegen. Wenn sich der letzte Kartenleger und die Zweiflerin nicht einigen können, entscheidet die restliche Spielrunde, ob das genannte Ding wirklich alle Eigenschaften erfülle oder nicht.

Entstehung

Idee und der erste Prototyp entstanden bei Spiele-Winterferien im jurassischen Vellerat. Ändu hatte einen Koffer voller Spiele mitgebracht, reiste aber schon am zweiten Ferientag samt den Spielen wieder ab - ich weiss nicht mehr wieso.
Eine Gruppe von Spielemenschen ganz ohne Spiele in der winterlichen Abgeschiedenheit? Wir begannen mit Scharaden, auch mit Personenraten, stiessen aber rasch an Grenzen. Ein Problem waren Michu und Lisa, die auf dem Land wohnten und weder einen Fernseher besassen noch Zeitung lasen. Sie waren schon gebildet und klug, aber sie kannten einfach alle die Promis nicht, ohne die man kaum Personen raten kann.
Da kam mit die Idee, die Sache umzudrehen. Ich schrieb Kärtchen mit Eigenschaften auf, zuerst Personen, dann Dinge im allgemeinen betreffend, und wir spielten erstmals Ein solches Ding. Michu war nun der Fantasievollste von allen und gewann mehrmals. Und wir kreierten viele Kärtchen mit exklusiveren Eigenschaften wie "könnte ich bei mir zu Hause zur Mäusejagd verwenden" oder "übersteht ein paar Jahre im Keller ohne Schaden zu nehmen".

An der Messe in Nürnberg 1988 zeigte ich Ein solches Ding verschiedenen befreundeten Spielautoren, besonders dem alten Venedig-Amerikaner Alex Randolph, der sich mit Spielen sehr gut auskannte. Meine Frage war: Gibt's denn sowas nicht schon irgendwo irgendwie? Das Spielprinzip war ja so simpel, dass ich fast sicher war, dass da auch schon vor mir irgendwer drauf gekommen war. Nein, Alex lobte das Spiel und er kannte nichts ähnliches. Zur Sicherheit schickte er mich noch zum Briten Derek Carver, der kenne wirklich alle Spiele. Aber auch Derek befand das Spielprinzip für neu.

Nicht ganz Spiel des Jahres

Ein solches Ding erschien im März 1989 bei Fata Morgana Spiele. Geschäftsführer Stefan Hösli brachte uns das erste gedruckte Exemplar am Tag, als meine Frau mit unserem ersten Sohn Michi nach Hause kam. Wir legten es ihm in den Stubenwagen.

Stefan hatte sehr gute Vorarbeit geleistet. An der Nürnberger Messe hatte er Ein solches Ding mit den Journalisten der Jury 'Spiel des Jahres' gespielt und dabei viel Interesse geweckt. Wir feierten die Spielepremiere mit einem Fest, bei dem Stefan Gebäck in Form von Fragezeichen auftischte. Die Zeitung 'Der Bund' lancierte ein Gewinnspiel mit EsD-Karten, bei dem alle drei Tage eine neue Karte (Eigenschaft) aufgedeckt wurde - wer Ein solches Ding nennen konnte, hatte die Chance, ein Spiel zu gewinnen, am Ende einen Hauptpreis. Ein guter Start.
Das Spiel verkaufte sich ausgezeichnet und wurde bald in die 'Auswahlliste Spiel des Jahres 1989' aufgenommen. Erfreulich, aber wir hatten auch ein Problem damit. Erstmals verlangte die Jury für den Abdruck ihres Logos Geld, einen prozentualen Anteil der Verkaufseinnahmen. Das wäre noch angegangen, aber ... auf unserer kleinen, rundum gestalteten Schachtel war kein Platz für das rote Pöppel-Logo und die Aufschrift "Auswahlliste Spiel des Jahres 1989". Und dann eben das Rot. Die Grundfarbe unserer Schachtel war karminrot, das SdJ-Logo war zinnober. Wie eine Faust aufs Auge. Unsere Bitte, das Logo in unserem Schachtelrot und etwas kleiner abdrucken zu dürfen, wurde abgelehnt. Es musste exakt dieses helle Rot sein. Ergo verzichteten wir auf den Abdruck des Logos. Wir waren die Ersten und vielleicht sogar die Einzigen, die den Deal mit Jury ablehnten.

Im Frühsommer klingelte in unserem Sommerhaus das Telefon. Überraschung. Am Draht war Alex Randolph aus Venedig. Alex gratulierte mit zum Gewinn der Auszeichung 'Spiel des Jahres'. Hochverdient sei sie. Ich zweifelte - nach unserer Ablehnung des Pöppel-Logos würde Ein solches Ding bestimmt nicht den Hauptpreis erhalten. Der war ab diesem Jahr mit einer Abgabe von 4% des Verkaufserlöses an die Jury verbunden. Wahrscheinlich eine sechsstellige Summe. Und die Jury würde nicht riskieren, den Preis gleich im ersten Jahr an einen Verlag zu vergeben, der das Sieger-Logo womöglich ablehnen und damit einen Skandal in der Spielewelt auslösen würde. Zudem hat man mit dem grossen Preis mehrmals serbelnde Traditionsverlage vor dem Absturz bewahrt, aber man hat noch nie einen Kleinverlag ausgezeichnet. Man wird sagen, wir wären gar nicht in der Lage die riesige Nachfrage nach dem "Spiel des Jahres" zu bedienen. No way.
Doch, sagte Alex. Er wisse sicher von vier Jurymitgliedern, die für Ein solches Ding stimmten. Dazu komme Synes Ernst, der Schweizer Vize-Vorsitzende. Der werde sicher für den Schweizer Verlag und Schweizer Autoren stimmen - eine Premiere in der Geschichte von 'Spiel des Jahres' - davon gehe er aus. Ich aber nicht. Der Synes ist ein netter Mensch, ein guter Bekannter von uns, aber risikofreudig ist er definitiv nicht. Und er hatte gute Gründe für eine andere Wahl.

Ich habe Recht behalten. "Spiel des Jahres 1989" wurde CAFE INTERNATIONAL (Mattel). Ein Brett-Legespiel von durchschnittlicher Qualität. Dass in der Begründung die Förderung der internationalen Verständigung auftauchte, war allerdings ein grober Fehlgriff. Gilt es doch bei diesem Spiel, multinationale Durchmischung an den Café-Tischchen zu vermeiden.
Die Jury-Mehrheit wollte der Durchschnittsfamilie, die das SdJ blind kaufen würde, ein Brettspiel in gewohntem Rahmen vorsetzen. Zudem sprachen zwei gewichtige Argumente für 'Café International'. Mit der Preisvergabe sollte der alte Spieleillustrator und -autor Rudi Hoffmann zu seinem 65. geehrt werden - wahrscheinlich die letzte Gelegenheit dazu. Und noch viel, viel wichtiger: Mattel, nach Lego der zweitgrösste Spielwarenkonzern der Welt, war 1986 in die deutsche Spieleproduktion eingestiegen. Dabei setzte der Barbie-Puppen-Konzern auf Autorenspiele. Auf den ersten Blick erstaunlich. Doch Strategie und Ziel von Mattel war: den Preis 'Spiel des Jahres' zu gewinnen. Nur damit war auf dem deutschen Spielemarkt echt Reibach zu machen. Mattels Verantwortlicher für die deutsche Spielereihe, selbst ein Spieleautor, stand unter Druck und klapperte vor der Wahl die Jury-Mitglieder einzeln ab mit der Botschaft: das Management werde die Produktion deutscher Spiele einstellen, wenn es diesmals mit dem Preis 'Spiel des Jahres' wieder nicht klappe.
Das Argument verfing. Die Jury wollte nicht verantworten, dass dem deutschen Autorenspiel die ungeheure Finanzkraft von Mattel entzogen würde. Der Jackpot ging an Mattel.
Ehrlich: Im Spieljahrgang 1989 hätten EIN SOLCHES DING oder das Kugelspiel ABALONE den Preis redlich verdient.

Spätere Ausgaben

Ein solches Ding verkaufte sich auch ohne millionenschweren Preis ausgezeichnet und ist nach einem halben Dutzend Auflagen auch im reifen Twenty-Alter noch in unserem Sortiment. Bei jeder Neuauflage wechselten wir die Grundfarbe der Karten.


In Deutschland haben abacusspiele das Ding herausgegeben, in einer Normschachtel, die leider die Ingeniosität des Originals vermissen lässt. Die Karten sind aber original.

In Schweden ist das Ding als GIZMO erschienen.
Der kanadische Verlag Valley Game veröffentlichte SUCH A THING auf Englisch. Leider liessen sie - auf Betreiben eines amerikanischen Buchvertriebs und Grossabnehmers - das Kartendesign fallen und beschränkten sich auf Texte.
Schade. Das konnte nicht gut gehen und ging auch nicht gut.


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